Die beiden Spatzen in unserem Beitragsbild drücken visuell das aus, was wohl den einen oder anderen aktiven Teilnehmer am Kapitalmarkt momentan beschäftigt: Zum einen die Frage wohin die Reise geht, zum anderen die Feststellung, dass es mit Blick auf die linke, mit Kursen gefüllte Seite des Charts, leicht ist „schlau daher zu zwitschern“, während der Blick auf die rechte, leere Seite einige Fragen aufwirft.
ANTIZIPIEREN FÄLLT SCHWER
In „normalen“ Märkten kann man aus dem historischen Verlauf der Kurse oft eine wahrscheinliche Entwicklung in der Zukunft ableiten. Dank hunderter Bücher zum Thema Charttechnik und der daraus entstandenen, etablierten Sichtweise, stellt die Charttechnik eine sich selbst erfüllende Prophezeiung dar. Wenn alle Marktteilnehmer im selben Moment nach dem „erlernten“ Muster vorgehen, passiert genau das, was man erwartet hat.
Selbstverständlich ist das etwas zu kurz gesprungen, da jederzeit weitere wichtige Faktoren eine Rolle spielen. Ob das fundamentale Unternehmensdaten, Analysen, das konjunkturelle Umfeld oder auch antizyklische Marktteilnehmer sind, sei einmal dahingestellt. Wer schon viele Jahre Charts beobachtet und parallel dazu das Umfeld betrachtet, hat bei dem Antizipieren der möglichen Bewegung auf der rechten Seite des Charts fast immer die Wahrscheinlichkeit auf seiner Seite.
AUSNAHMEZUSTAND
Wer jetzt denkt „Merken die das jetzt erst?“, den können wir beruhigen. Seit Monaten ist klar, dass wir uns in einem Ausnahmezustand bewegen. Nicht zuletzt deshalb agieren wir in unserem wikifolio-Musterdepot schon seit geraumer Zeit äußerst umsichtig und halten die Risiken überschaubar.
Nahezu jedes Ereignis der letzten Monate hätte in vergangenen Zeiten selbst isoliert betrachtet das Potential gehabt, den Märkten nachhaltigen Schaden zuzufügen. Statt dessen haben wir V-förmige Erholungen und ungebremsten Optimismus gesehen. Warten wir mal ab, wie lange dieser noch anhält.
Hinzu kommt in der aktuellen Berichtssaison ein oft atypisches Verhalten der Marktteilnehmer. Gute Ergebnisse werden teilweise mit massiven Abverkäufen bestraft, während schlechte Ergebnisse zu Käufen motivieren. Das alles ist keine Neuheit und kam auch in der Vergangenheit immer mal wieder vor. Die Begriffe hierfür sind „Sell the news“ und „Buy the dip“. Neu ist allerdings die Häufigkeit dieser Ereignisse und vor allem die nahezu unmögliche Einschätzung, ob dies eintritt, ob gar nichts passiert oder ob das Gegenteil passiert. Und wenn, was auch immer passiert, schließt sich Frage an ob die Marktteilnehmer eine Richtung bevorzugen oder ob der Kurs wenige Tage später schon wieder einen Haken schlägt. Wer hier im Markt ist braucht schon etwas Glück. Und Glück, das wissen Sie, ist keine Variable in unserer Formel. Immer dann, wenn Glück erforderlich wird, halten wir uns raus.
WAS BRINGT UNS UND IHNEN DIESE ERKENNTNIS?
Wir machen das nicht erst seit gestern und wir sind auch nicht besonders überrascht. Es gibt Gründe dafür, dass im Moment genau das passiert, was wir jeden Tag sehen. Diese Gründe zu kennen, hilft leider nur bedingt bei der Entscheidung für die eine oder andere Position. Es hilft aber dabei die Risiken klein zu halten und nicht Hals über Kopf auf eine falsche Entwicklung zu setzen. So schaffen wir es unser wikifolio-Musterdepot aktuell bei leichten Verlusten recht stabil zu halten, während die Kurse anderer wikifolios munter um uns herumtanzen, frei nach dem Motto „Wie heute gewonnen, so morgen zerronnen!“. Dieses Wechselbad der Gefühle möchten wir Ihnen nicht zumuten.
Mittelfristige Positionen werden im Moment eher nicht aufgebaut, da nur sehr schwer eine Einschätzung darüber getroffen werden kann, wo die möglichen Investments in ein paar Wochen oder gar in ein paar Monaten stehen können.
Die kurzfristigen Positionen basieren selbstverständlich auf einer geeigneten Einschätzung, die Garantie auf einen Erfolg gibt es aber auch hier nicht. Da wir hier bewusst auf Turbo-Optionsscheine setzen, kommt es auch immer wieder mal zu einem Knock-Out. Auch wenn dieses Ereignis von Natur aus unbefriedigend ist, so dient es trotzdem der strikten Risikokontrolle. Wie bereits in anderen Beiträgen beschrieben, nutzen wir hier teilweise sehr hoch gehebelte Derivate, investieren aber in jede Position nur eine „homöopathische Dosis“ unseres liquiden Kapitals. Demzufolge bleibt der liquide Anteil unseres wikifolios sehr hoch und der Knock-Out verursacht keinen signifikanten Schaden.
Die momentan weit unter Wasser stehenden offenen Optionsschein-Positionen werden wir vorerst halten. Diese haben aktuell noch einen Restwert von etwa 0,4 Prozent des Depotwertes. Salopp gesagt: Darauf kommt es jetzt nicht mehr an. Wir erhalten uns aber bis zum Ende der Laufzeit der Optionsscheine die Möglichkeit auf Besserung.
WIR MACHEN WEITER!
Wir werden weiterhin konsequent nach Chancen im kurzfristigen Bereich suchen. Das Screening wirft nach wie vor täglich mögliche Einstiege aus. Diese müssen momentan allerdings etwas intensiver und im Kontext zu den oben beschriebenen Faktoren und der teilweise massiven Irrationalität des Marktes betrachtet werden.
Wir versuchen weiterhin die rechte Seite des Charts gedanklich zu füllen. Und wenn es wieder mal etwas Wichtiges zu „zwitschern“ gibt, halten wir sie hier wie gewohnt auf dem Laufenden.